Bachmannpreis 2006

Kathrin Passig hat das Rennen gemacht. Mit einem Text, der meiner bescheidenen Meinung nach extra auf das Bachmannpreislesen zugeschnitten wurde.
Ich will dem Text gar nicht in Abrede stellen, dass er gut ist. Er ist sogar sehr gut gemacht. Zu gut für meine Begriffe auf das abgestimmt, was die Juroren in den letzten Jahren bekrittelt, bemängelt und gelobt haben. Ein Trend-Text sozusagen.

Wenn man sich dann den Hintergrund der ZIA ansieht, einer Organisation in der Kathrin Passig sogenannte Agentin ist, dann erkennt man sehr schnell, dass hier Menschen am Werk sind die genau das zu ihrem Beruf gemacht haben. Sie analysieren Trends.

Dass dies funktioniert, hat wohl der diesjährige Bachmannpreis gezeigt, was wiederum ein dickes Lob für die ZIA ist. Andererseits aber auf meiner Seite eben dieses Unbehagen auslöst. Werden wir in Zukunft jedes Jahr von der ZIA mit Autoren (siehe Artikel "Zweiter zu gar nichts" 22.6.2006 12:22) beglückt? Wie schaffen sie es die Hürde der Einladung zu nehmen? Und zwar jedes Jahr aufs Neue. 2004 IM (Inoffizielle Mitarbeiter der ZIA) Wolfgang Herrendorf vorgeschlagen von Klaus Nüchtern (A) (Kelag Publikumspreis), 2005 Senior Consultant Natalie Balkow vorgeschlagen von Klaus Nüchtern (A) (Ernst Willner Preis) und dieses Jahr Kathrin Passig vorgeschlagen von Daniela Strigl (A) (Bachmannpreis UND Kelag Publikumspreis). Wir werden es erleben, so wir es erleben.

Ein weiterer Schwachpunkt des Bachmannlesens ist dann auch der Kelag Publikumspreis. Jeder darf im Internet abstimmen, welcher Text ihm gefallen hat, natürlich mit entsprechender Begründung, aber das ist wohl keine Hürde. Für die Abstimmung wird dann in Blogs "Meinung gebildet". Zum Beispiel in der Riesenmaschine (siehe Artikel: Bachmannbewerb vom 24.6.2006 9:30) einem Blog, der nicht nur den Grimme Online Award 2006 gewonnen hat, sondern in dem auch Kathrin Passig eine der Mitautorinnen ist. Zu beachten wäre da auch der Eintrag vom 25.5.2006 11:00 So sehen Sieger aus, mit einem, wie ich Meine, geradezu extrem passenden Bild eines Untoten oder was auch immer das darstellen soll. Sieger sind wohl jene die wissen wie das System funktioniert und auch seine Schwachstellen kennen und diese gnadenlos ausnutzen.

Was auch noch etwas aufstößt ist die Tatsache, dass auch Tex Rubinowitz für die Riesenmaschine schreibt. Und da wieder schließt sich der Kreis über den Wiener Falter zu Klaus Nüchtern, der wie wir ja wissen, auch für den Falter tätig ist. Liegt da nicht Befangenheit vor? Oder gibt es das beim Bachmannpreis nicht?

Man sollte dem Kelag Publikumspreis endlich ordentliche Statuten verpassen, so wie sie bereits jeder Online-Werbeanbieter benutzt. Auch wer google-Ads schaltet darf keine Werbung dafür machen, dass man die Werbung auf seiner Site auch klicken soll (Klick-Fraud heißt das so schön im Fachjargon und diesbezüglich wird gegen google sogar schon eine Sammelklage angestrebt). Die Einhaltung der Statuten dann auch zu kontrollieren steht natürlich auf einem anderen Blatt.

Wollen wir nun beim Bachmannpreislesen Menschen die das System für sich ausnutzen sehen? Ist das im Sinne von Ingeborg Bachmann? Ich denke nicht. Sie, die Schreiberin, lebte durch das Schreiben. Und genau da würde ich mir wünschen, dass die Jury mit etwas mehr Weitblick auch an die Hintergründe der Texte geht und nicht nur blind den Text vor Augen sieht.

Wie manche Wissen, mag ich Simona Sabato. 2004 fühlte sich die Jury (und nicht nur die), durch den Text den sie damals zum Besten gab, zum Teil verarscht, aber der Text war ein Text der meiner Meinung nach nicht für das Bachmannpreislesen konstruiert wurde, sondern einfach als Text war so wie er war.

Liebe Bachmannjury 2007,

speziell die Dame und der Herr aus Österreich, seht bitte im Vorfeld schon mehr hinter die Texte. Wir werden es euch danken.
aschantinuss - 5. Jul, 18:11

Netzwerke

Interessanter Beitrag darüber wer mit wem wie vernetzt ist. - Nicht folgen kann ich dir aber was die Riesenmaschine anbelangt - wie soll in der großen weiten Internetwelt ein Blog, und sei es mit dem Grimme Online Award bedacht, eine Art Meinungsmonopol haben? Die Juroren, die die Kandidaten vorschlagen und zum Teil aus eigenem Impuls heraus einladen, schreiben immerhin Literatur -Feuilleton für große Tageszeitungen und wirken damit ebenso und schon im Vorfeld meinungsbildend. Es ist sicher ein großes Problem des Bachmann Wettbewerbes, dass sich alles in einem kleinen feinen Netzwerk im Kreis dreht und die Juroren genau das bekommen, was sie sich wünschen, aber ich würde dieses Problem nicht am ZIA festmachen.

Ich habe übrigens besonders lachen müssen, als die Kommentatoren die Trends in der Gegenwartsliteratur anhand der Bachmannpreistexte analysiert haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass Arbeitswelt offenbar ein brennendes Thema ist. Das wünschen sich die Juroren doch seit 3 Jahren lautstark - klar, dass diejenigen, die die Texte einreichen, reagieren. Dass das nichts darüber aussagt, was relevante zeitgenössische Autoren tatsächlich umtreibt, müsste eigentlich klar sein.

tibits - 5. Jul, 18:26

Meinungsmonopol

Niemand hat ein Meinungsmonopol, das ist schon klar, ich sagte ja Schwachpunkte ausnutzen. Die Riesenmaschine warb für Passig und die Riesenmaschine hat ein große Anzahl an Lesern die ihr verbunden sind. Ergo werden vielleicht nicht alle, aber doch eine große Anzahl ihre Stimme an die beworbene Person abgeben. Für die anderen Kanditaten hat die Riesenmaschine nicht geworben. Wären sie objektiv würden sie nicht nur Frau Passig erwähnen, sondern auch all die anderen.

Und ich denke eben, dass die Lobby der restlichen Bachmannpreisteilnehmer eine zu kleine ist.

Jemand hat übrigens meinen Beitrag kommentiert, jemand der offensichtlich Kathrin Passig persönlich kennt und mit ihr auch beim Bachmannbewerb war. Er oder sie bat dann den Kommentar wieder zu löschen, da er/sie meinen Beitrag doch nicht kommentieren möchte.

Darin stand zum Beispiel, dass jemand aus der Bachmannjury die eingereichten Texte überhaupt nicht liest, sondern selbst an Autoren herantritt und sie einlädt, auch wenn die gar nicht eingereicht haben, mit der Bitte doch einen Text für das Bachmannpreislesen zu schreiben.
Gregor Keuschnig - 7. Nov, 11:46

Warum ist es ein Problem, wenn ein Prosatext speziell für einen Wettbewerb angefertigt wurde? Warum ist es relevant, wo der/diejenige "herkommt"? Was bedeutet es, wenn gebeten wird, dass die Juroren im Vorfeld schon mehr hinter die Texte schauen wollen?

Dahinter verbirgt sich m. E. ein Literaturbegriff, der der Literatur misstraut und stattdessen Gesinnung oder kommerzielle Aspekte thematisiert. Ob Frau Passig nun einer Agentur "angehört", die in der Vergangenheit mehrmals reüssiert hat - what shall's?

Literatur wird offensichtlich heutzutage nicht mehr im stillen Kämmerlein verfasst. Der in der Verzweiflung ob einer Vorfeldanalyse wesende Kern ist ein emphatischer Künstlerbegriff (fast hätte ich gesagt: Künstlerkitschbegriff), der spätestens seit 20 Jahren obsolet ist.

Ein Wettbewerb, der Prosatexte und dessen "Hintergrund" beleuchtet, nimmt nichts anderes vor als eine Authentizitäts- oder Gesinnungsprüfung des Autors, des Umfelds - vielleicht sogar der persönlichen Vorlieben oder Abneigungen des Autors? Nur: Was ist dieser Wettbewerb dann noch wert?

Wenn man der Jury die Autonomie abspricht, Prosatexte gemäss deren (heterogene) Kriterien zu bewerten und zu gewichten, dann kann man so etwas besser ganz vergessen. Unzählige Texte werden auf einen Wettbewerb hin geschrieben - schon alleine, weil sie sich den Wettbewerbskriterien stellen müssen. Dass es in der Jury Leute gibt, die ihre Hausaufgaben nicht machen, merkt jeder, der die Diskussionen verfolgt. Eine umfassende Infiltration zu Gunsten oder Ungunsten eines oder mehrerer habe ich nicht erkannt.

Und wenn einem die Abstimmung zum Publikumspreis nicht passt - dann bleibt nur die Möglichkeit, sich ein neues Publikum zu suchen.

Trackback URL:
https://tibits.twoday.net/stories/2234692/modTrackback

Fleischfrei

Bei der Erstellung dieses Blogs wurde kein Tier gequält

        tibits-herself-in-action

Kalender

Juni 2006
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 2 
 3 
 4 
 5 
 7 
 8 
 9 
10
12
13
14
15
18
19
20
21
23
24
26
27
29
30
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Umzug
Ein Umzug so wie im privaten Leben auch. Mein Blog...
tibits - 6. Mai, 09:25
Wir starten durch
Wie oft habe ich schon gesagt: Hey dieses Jahr verkaufen...
tibits - 30. Apr, 20:35
Ereignislos
Feists - one, two, three, four - im Ohr auf einer weiteren...
tibits - 27. Apr, 00:12
Ohne Kommentar, ist aber...
You scored as Spanish. Spanish75%Danish63%German5 0%French50%Belgian50%Briti sh50%Italian50%Turkish38%I rish38%Dutch38%Swiss25%Mol vanian25%Russian25%Polish1 3%Which...
tibits - 28. Mär, 21:08
Tja, so ist sie. Bevor...
Tja, so ist sie. Bevor sie sich schlagen lässt. ;o)
tibits - 30. Jan, 21:40

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Mein Lesestoff


Hans-Ulrich Treichel
Der Felsen, an dem ich hänge

Margaret Atwood
Oryx and Crake

Haruki Murakami
Mister Aufziehvogel

Haruki Murakami
Wilde Schafsjagd

Haruki Murakami
Tanz mit dem Schafsmann

Hier könnt ihr weiterlesen

Suche

 

Status

Online seit 6789 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 6. Mai, 09:25

Credits


A pirates life
Aus dem Fundus des Seins
Bewegung
Buchmesse Leipzig 2006
Buchstabensuppe
comic-salon Erlangen 2006
Comics
Dinge die die Welt nicht braucht
Genuss
Grundlagen
Lied Gut
Quilt
Schweizblog
Shrink
Spruchsammlung
Technik
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren